Die aktuelle militärische Spezialoperation in der Ukraine zeigt sich in vielerlei Hinsicht als ein Krieg in einem neuen Zeitalter. Der Einsatz von Dronen beweist dies ebenso, wie die Berichterstattung in den sozialen Medien. Kanäle, wie YouTube oder Telegram, werden von allen Kriegsparteien und Stakeholdern effizient genutzt. Deshalb rentiert sich ein Blick auf russische Militärblogger, ukrainische Meinungsmacher und westliche Influencer. In diesem Beitrag wird es um Content-Creators aus der Perspektive Russlands gehen. Dabei ist diese Perspektive nicht zwangsläufig positiv gegenüber dem Kreml eingestellt.
Semyon Pegov
Semyon Vladimirovich Pegov, geboren am 9. September 1985 in Smolensk, ist ein bekannter russischer Militärblogger und Propagandist. Er ist der Leiter des militärischen Projekts WarGonzo und betreibt einen gleichnamigen Telegram-Kanal, der Verbindungen zu den russischen Spezialdiensten haben soll. Pegov berichtete hauptsächlich aus einer pro-russischen Perspektive über den Russisch-Ukrainischen Krieg, den Konflikt in Nagorno-Karabach und den Russisch-Georgischen Krieg.
Er studierte an der Fakultät für Philologie der Staatlichen Universität Smolensk und begann seine Karriere als Fernsehjournalist bei VGTRK in Smolensk, bevor er während des Russisch-Georgischen Krieges nach Abchasien ging. Während des Russisch-Ukrainischen Krieges im Jahr 2014 arbeitete er für den kremlnahen Fernsehsender LifeNews. Nach der Schließung von LifeNews leitete er das Projekt WarGonzo.
Pegov wurde unter anderem wegen seiner pro-separatistischen Berichterstattung und der Veröffentlichung von inszenierten oder gefälschten Bildern kritisiert. Diese Berichte dienten oft der Förderung der russischen Kriegsnarrative. In seinen Veröffentlichungen griff er auch die ukrainische Regierung an und verbreitete Falschinformationen über ihre militärischen Aktionen.
Im August 2020 wurde Pegov in Belarus festgenommen und später durch das Eingreifen des russischen Außenministeriums freigelassen. Im Jahr 2021 wurde er in Moldawien festgenommen, aber nach einer Durchsuchung und einem Verhör freigelassen. Pegov hat auch ein Buch veröffentlicht, das einem getöteten russischen Milizführer gewidmet ist und wurde von Präsident Putin mit dem Orden des Mutes ausgezeichnet. Im Jahr 2022 wurde er von einer Petal-Antipersonenmine verwundet.
Trotz mehrfacher Behauptungen, dass seine Berichte objektiv seien, sind viele seiner Aussagen und veröffentlichten Inhalte als Teil der russischen Informationskriegsführung gegen die Ukraine kritisiert worden. YouTube und andere Plattformen haben einige seiner Kanäle wegen Verstößen gegen ihre Richtlinien gesperrt.
Link zu Pegow auf Open Sanctions
Link zum Telegram-Kanal von Pegov (1,07 Millionen Follower im April 2024)
Boris Rozhin
Boris Aleksandrovich Rozhin, besser bekannt unter seinem Pseudonym Colonel Cassad, wurde am 14. Juli 1981 in Sewastopol geboren und ist ein prominenter russischer Blogger. Er absolvierte das Südukrainische Staatliche Pädagogische Universität Ushinsky mit einem höheren Bildungsabschluss. Sein Hauptwirkungsfeld ist sein Blog auf LiveJournal, wo er unter dem Namen Colonelcassad überwiegend politische Inhalte veröffentlicht.
Rozhin startete seine Karriere nicht in den Medien, sondern arbeitete zunächst im Rentenfonds und in einem Supermarkt-Sicherheitssystem, bevor er sich dem Webdesign zuwandte. 2009 gründete er seinen Blog Colonelcassad, der ursprünglich als ein Ort der „totalitären Propaganda“ in sozialen Netzwerken gedacht war. Trotz oder vielleicht wegen seiner umstrittenen Inhalte hat er sich eine große Leserschaft und Bekanntheit erarbeitet. Sein Blog, der eine starke Unterstützung für die Annexion der Krim durch Russland zeigt, wurde mehrfach blockiert, bleibt jedoch beliebt und einflussreich.
Bis 2014 gewann sein Blog aufgrund der Ereignisse in der Ukraine an Popularität und erreichte die zweithöchsten Aufrufe auf LiveJournal. Diesen Status konnte er über die Jahre hinweg halten und sogar ausbauen. Rozhin wird häufig als militärischer Experte zitiert und hat an verschiedenen Diskussionen und Interviews teilgenommen, um seine Ansichten über die Lage in der Ukraine und anderen politischen Themen zu teilen.
Interessant ist auch sein persönliches Leben, über das wenig bekannt ist. Er wird als möglicherweise ledig und kinderlos beschrieben, und obwohl er persönliche Daten und den Familienstand nicht öffentlich macht, ist bekannt, dass er ein passionierter Schachspieler und mehrfacher Stadtmeister im Schach ist. Rozhin ist auch für seine humanitären Bemühungen bekannt, insbesondere in der LPR, wo er Anerkennung für seine humanitäre Hilfe erhalten hat.
Link zum Telegram Kanal Colonel Cassad (858K Follower im April 2024)
Aleksandr Kots
Alexander Igorevich Kots, geboren am 3. September 1978 in Yuzhno-Sakhalinsk, ist ein bekannter russischer Journalist und Propagandist, der hauptsächlich für die Boulevardzeitung Komsomolskaya Pravda und seinen eigenen Telegram-Kanal berichtet. Er deckt eine Vielzahl von Themen ab, darunter militärische Konflikte und Naturkatastrophen sowohl in Russland als auch international.
Nach seinem Umzug nach Khabarovsk in jungen Jahren und seiner Schulzeit in Wladiwostok zog Kots 1993 nach Moskau, wo er seine höhere Schulbildung abschloss und später an der Universität studierte. Zwischen 1996 und 1998 leistete er seinen Pflichtwehrdienst im 38. Separaten Kommunikationsregiment der russischen Luftlandetruppen.
Seine journalistische Karriere begann Kots 1999 bei Komsomolskaya Pravda. Seine Berichterstattung führte ihn in Konfliktzonen weltweit, darunter der Kosovo, Afghanistan, die arabische Welt und die Ukraine. Er erlitt Verletzungen und Auszeichnungen für seine Arbeit in gefährlichen Situationen, beispielsweise wurde er während des Russisch-Georgischen Krieges von Splittern getroffen und erhielt dafür die Medaille „Für Tapferkeit“.
Kots hat sich auch in politisch heiklen Situationen engagiert, wie etwa seine Teilnahme an Protesten gegen NATO-Truppen in der Krim 2006. Seine Berichte werden jedoch häufig kritisiert, da sie voreingenommen seien und unbestätigte Informationen enthalten. Er wurde von der Ukraine und anderen Ländern mit Sanktionen belegt, was seine umstrittene Rolle und den pro-kremlorientierten Bias in seiner Berichterstattung unterstreicht.
Link zum Telegram von Kots (567K Follower im April 2024)
Aleksandr Kots auf Open Sanction
Fazit zu russischen Militärbloggern laut dem NATO Defense Collage
Es dürfte unnötig sein zu erwähnen, dass die meisten Leser im Westen wahrscheinlich nicht mit ihren grundlegenden Ansichten übereinstimmen werden. Aber solche Quellen, mit angemessener Vorsicht behandelt, sind wertvoll. Sie bieten wesentlichen Kontext, Einblicke und Details, während wir versuchen, die internen Dynamiken, Moskaus Handlungen und die Lektionen, die die russische Führung möglicherweise lernt, zu interpretieren.
Die pro-kriegsorientierten Blogger erfüllen in Russland mehrere und nuancierte Funktionen. Und obwohl ihr Einfluss nicht überbewertet werden sollte, werden sie zu einem zunehmend wichtigen Faktor in den russischen Innenangelegenheiten und im Informationsraum. Sie halten sich nicht immer an die Linie, einige kritisieren sogar Putin selbst, aber – theoretisch – können sie jederzeit eingebremst werden; vorerst betrachtet das Regime sie nicht als zu politisch riskant.
Es ist unwahrscheinlich, dass das russische Militär in der Lage ist, eine gründliche und wirklich offene Analyse dessen durchzuführen, was während der großangelegten Invasion schiefgelaufen ist. Doch es scheint, dass Kritik – die als spontane Reaktionen auf Rückschläge in der Ukraine begann – von den unzweifelhaft patriotischen Zvinchuk und Pegov dennoch vom Kreml aufgenommen und instrumentalisiert wird, während er versucht, sich auf lange Sicht anzupassen und die Nutzung der Streitkräfte im kommenden Jahrzehnt neu zu gestalten.
Quelle: https://www.ndc.nato.int/research/research.php?icode=794